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Robert Clark

auf apollos spuren: heinz cibulka

 

zu: Kompost-Aktion, Long Beach, CA, 2007


Übersetzung: Yvonne Schmickl


zum ersten mal begegnete mir cibulka in den frühen siebzigern in form eines in art international erschienen fotos. nie zuvor hatte ich ein so kraftvolles gedrucktes bild gesehen: cibulka, der gekreuzigte. licht, schatten und kamerawinkel in dieser aufnahme veränderten mein leben im wahrsten sinne des wortes. das foto illustrierte eigentlich einen artikel über nitschs theater, aber was mich an dem ganzen am meisten beeindruckte, war das bild. der körper, der gesichtsausdruck fesselten mich geradezu.

der makellose körper, das an el greco erinnernde gefüge aus torso und kreuz zerrissen mein herz. und sie veränderten mein leben, sodass ich mich noch heute, mit 50, mit dieser arbeit als das einzige, was mir wirklich wichtig ist, verbunden fühle.

nach dieser ersten annäherung an cibulkas tätigkeit als model entdeckte ich auch seine arbeit für schwartzkogler. für mich ist sie kernstück seiner arbeit vor der kamera. sie zeigt den nackten horror verbunden mit elektrizität und ist somit ein vorreiter für das, was heute als modeikone gilt, etwas, was in den sechzigern keiner vorhergesehen hatte. diese arbeiten haben bis heute nichts von ihrer ausdruckskraft eingebüsst. kupferkabel und verbandsmaterial als archetypen gehen über die rechtliche problematik des damaligen wiens hinaus; der draht als verbindungsstück zwischen den kriegsjahren und den heutigen kriegen; der brückenschlag zwischen den bombenangriffen von 1944 und den laserattacken des jahres 2006 ist gelungen. der verbandsmull als sinnbild für die gefallenen eines sinnlosen krieges.

aber eigentlich gehtes hier nicht in erster linie um cibulkas arbeit als model, denn sein wahres können entfaltet sich in der photographie, und meiner ansicht nach haben sich seine arbeiten seit den siebzigern als das wichtigste und einschneidendste werk europas entpuppt.

cibulkas revolutionärer ansatz, ein bild aus vier einzelbildern zusammenzustellen, eine art tribut an grünwand, hat das konzept der fotopräsentation weltweit verändert. er beherrscht die abbildung einer prosaischen themenwahl, und vermag es, menschen und gegenstände innerhalb ihres lokalen umfeldes auf eine weise festzuhalten, die offenbart, was beim blick auf das alltägliche sonst verschlossen bleibt. er hat einen neuen weg zum faktischen leben gebahnt, und dabei, wie das auch bei van gogh der fall ist, dem einfachen zu ruhm verholfen.

nur cibulka konnte es gelingen dem betrachter ein paar auf einem traktor ein glas wein genießend als kunst vor augen zu führen. das leben selbst wird zur kunst erhoben. indem er die ästhetik des einfachen ans licht bringt, hat cibulka den akt des photographierens revolutioniert. mein konzept der photographie, meine art fotos zu schießen, hat er damit völlig zerstört. und darüber bin ich bis heute, 14 jahre danach, noch nicht hinweg.

ein foto ist die verlängerung einer kleinen zuckung der fingerspitze. so wie heidegger werkzeuge als in-der welt-seiend authentisierte, dient das foto als spiegel für einen augenblick, der auf den betrachter zurückgeworfen wird. dieser augenblick ist jedoch nicht in der zeit gefroren, sondern indem die sich chemikalien im lauf der zeit abbauen und ausbleichen, altert das foto, so wie der mensch selbst. fotos schneiden rasierklingenhaft momente aus, und dann, vor allem auf grund chemischer prozesse, verbleichen sie. sie zwingen den blick auf einen vergangenen moment, und bieten doch nur einen verzerrten anblick dieses moments.

brillant im ansatz und doch geschwächt von ihrer eigenen vergänglichkeit, führen fotos den betrachter als darstellung der realität in die irre, zumal die realität niemals statisch ist. bei cibulka findet sich stets die andeutung von etwas, das wir im begriff sind zu verlieren, aber es handelt sich niemals um den versuch, vergangenen augenblicke oder zeiten festzuhalten.

was geschieht, wenn wir ein foto betrachten? die farben stimmen nicht, das licht ist falsch, die gegenstände erscheinen zweidimensional, verflacht bis zu dem grad an dem sie nichts als papier und chemikalien sind. clement greenburg stellte fest, dass moderne kunst nichts als farbe und oberfläche sei. das gleich gilt meiner meinung nach für das foto. es ist nichts als farbe und papier.

Cibulka hingegen zerstört all diese regeln indem er bilder macht, die man an sich drücken, liebkosen will. das heißt jedoch nicht, dass seine arbeiten provinziell sind. ganz im gegenteil, was provinziell ist, sind die themen, darin erinnert er geradezu an vermeer. cibulkas bilder möchte man an sich pressen, denn sie sind zutiefst berührend. ich habe mich oft gefragt weshalb cibulka der portraitphotographie so beharrlich aus dem weg geht. die antwort darauf ist, dass er die welt selbst als portrait sieht. er legt es darauf an, sie mit seiner leica als gesamtheit abzubilden. im wissen, dass farbe und papier sein ausdrucksmittel sind, geht er daran, die welt als einheit festzuhalten. ein blick auf seine fotos der nitsch-aktion reichen aus, um dies zu erkennen.

mit dem fortschreiten seiner karriere, ist cibulka über seine geographischen wurzeln hinausgegangen und hat einen blick auf andere realitäten geworfen. neue länder, andere thematiken. dazu hat er sich die errungenschaften der digitalphotographie zu eigen gemacht, und sich so seinem ursprünglichen ziel noch weiter angenähert: das fremde vertraut zu machen. seine korea serie steht dafür als beispiel. das abgebildete ist von der koreanischen realität und kultur getränkt, aber cibulka verleiht den bildern diesen charakteristischen hauch von familiarität, etwas, was uns einfach bekannt vorkommt. cibulka ist der einzige photograph den ich kenne, der immer in der lage ist, in seinen bildern zutiefst persönliches festzuhalten und es dem betrachter individuell zu erschließen.

cibulka ist wahrhaft apollonisch. in seinem werk findet sich eine bläue die seinen bildern einen hauch von kaltem stahl verleiht. nitsch hat das vor einigen jahren festgestellt hat, und ich stimme ihm zu. cibulkas werk verfügt zudem über eine ausgesprochen heroische qualität, die es zu mehr macht als nur photographie. ich bin der überzeugung, dass cibulka in jeder beliebigen kunstspate erfolg gehabt hätte, denn sein geist beherrscht die kunst der darstellung. er schwingt den hammer auf eine ganz bestimmte weise, er hat das talent den gegenständen eine form zu geben. aber er zwingt dem betrachter nichts mit gewalt auf, sondern ködert ihn mit einzigartigen anblicken, den resultaten eines einzigartigen blicks durch den sucher seiner kamera. cibulka ist ein segen für seine kunstform, so wie es auch diane arbus war. er ist ein künstlerheld für seine familie, seine gemeinde, und sein land.


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