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Heinz Cibulka

Chinoiserie - Aus dem Reisetagebuch

 
juni 1999

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juli 1999

 

in: Chinoiserie, 2000


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Vergangene Nacht hatte es furchtbar geregnet, in der Provinz sind arge Überschwemmungen gemeldet worden. Noch sitzen wir beim Frühstück im Hotel am Gelben Berg, wir müssen aber bei heftigem Regenprasseln abreisen. Die Wege sind teilweise zu Bächen angeschwollen, dieses viele Wasser auf unserem Marsch hinunter hat katastrophale Ausmaße. Meine Begleiter sind viel zu leicht angezogen, aber jetzt gibt es nur mehr ein Vorwärts bis zur Seilbahn und dann weiter zum Auto. Waschelnaß aber glücklich erreichen wir auch unser Auto und fallen naß in die Sitze unseres Gefährts, das jetzt besonders gemütlich und schützend wirkt. Wir fahren einen anderen Weg, als jenen, auf welchem wir hergekommen sind zurück. Die Straßen sind hier besser, wir kommen nach etwa einer Stunde Fahrt zu unserem neuen Quartier, dem Hotel Huangshan International. Hier ist der Klassenunterschied nach außen, den einheimischen Wohnverhältnissen gegenüber sehr deutlich sichtbar. Wir kommen in ein eigenes Hotelareal, das sich durch Pflanzen, einen homogenen Asphaltboden und eine Umzäunung von der kleingliedrig bäuerlichen Situation unterscheidet. Die Landschaft sieht auch im Regen sehr schön aus. Reisfelder und gepflegte Gemüsefelder liegen in einem leicht hügeligen Land. Auf den Hängen sehe ich Teefelder, an den Straßen kommen wir hin und wieder an Bambusbäumen oder Sträuchern vorbei. Schwarze kohlehaltige Steine im offenen Boden, die von farbigen Schlieren metallischer Mischungen durchsetzt sind unterbrechen den üppigen Wuchs der Pflanzen in dieser Region. Wir fahren an Kohlebergwerken vorbei. Nach steileren Bergabhängen kommen wir wieder in flacheres Land. Hier ist es wärmer und dunstig feucht.

Unser nächstes Reiseziel ist ein Ort mit einer historisch erhaltenen Stadtstruktur aus der Ming- Dynastie. Herrschaftliche Häuser in einem kleinstädtischen Verband aus dieser vergangenen Kulturepoche werden für Touristen als museale Situation und als touristische Einnahmequelle erhalten. Einfache, arme Leute, die keinen Bezug zu dem kulturellen Hintergrund der von ihnen bewohnten Häuser zu haben scheinen, sitzen in den schon morbiden aber immer noch schönen noblen Häusern. Einige Bewohner dieser Geisterstadt versuchen, etwas an die Besucher zu verkaufen. Der Anschauungsort für Fremde, für Kulturinteressierte oder für Neugierige macht das gleiche Gefühl der Beklommenheit in der flüchtigen Kommunikation mit den Einheimischen. Die Fremden sollen hier etwas kaufen, was ihnen wertvoll und preiswert erscheint, zur Erinnerung an ein Erlebnis mit historischen Dimensionen. Den Verkäufern sind diese Verkaufsobjekte aber ein lebensnotwendiges Handelsgut , das sie verkaufen müssen, aber sichtlich nicht reicher machen kann. Einige der hier weilenden Chinesen spielen Karten andere haben im Haus zu tun. Vereinzelt ist aus den ungleichen Kontakten seitens der Einheimischen Scheu und Verachtung gegenüber den Voyeuren zu bemerken. Sie stehen den fremden Beschauern in einer Szene gegenüber, in welcher sie keine genügend würdige Rolle finden können.

Rund um diesen patinabeladenen Ort steht das Wasser in den Reisfeldern. Der jetzt sanftere Regen höht das Grünspektrum der Vegetation in diesen dreidimensionalen Landschaftsbildern. Rinder grasen am Straßenrand, immer wieder fahren Menschen auf Rädern vorbei, Hirten und Verkäufer landwirtschaftlicher Produkte sind in der Nähe bewohnter Orte, vereinzelt auch im freien Land an den Straßenrändern zu sehen.

Am letzten Abend mit unserem sympatischen Reisebegleiter der Region, der unbedingt an weiteren Kontaten mit mir interessiert ist, essen wir wieder besonders gut. Er bietet mir das Du- Wort an, ich freue mich darüber. Das Essen wird mit Schnapstrinken beendet. Dieses Mal lasse ich mich auf das Alkoholritual meiner Begleiter ein. Alle Männer machen begeistert mit und scheinen sich im Voraus schon auf meinen, und auf ihren eigenen Rausch zu freuen. Vor solchen Trinkorgien bin ich seit Beginn der Reise gewarnt worden. Ich habe gut gegessen und hoffe mit dieser Grundlage eine Zeit lang mit den Trinkhelden mithalten zu können. Am meisten trinkt unser Chauffeur. Gleich zu Beginn des Männerspiels stürzt er einige Achtel-Gläser Schnaps relativ schnell hinunter. Wir trinken Reisschnaps, der mit unseren ca 40 prozentigen Schnäpsen vergleichbar ist. Ich bin kein Schnapstrinker und deshalb auch vorsichtiger. Der Trinkwettkampf macht allgemein glänzende Augen, anfangs von der kollektiven Erregung, der Begeisterung und Wettkampflust, später vielleicht auch von der Wirkung des Alkohols. Die Gruppe der Trinkenden schmilzt freundschaftlich zusammen. Alle freuen sich, noch standhaft mittrinken zu können. Nachdem es keine großartigen Sieger aber auch keine bedauernswerten Verlierer gibt, löst sich die Gruppe in Wohlwollen auf. Ich habe die Trinkerehre meiner Person erhalten und dabei für kurze Zeit eine kleine Gruppe chinesischer Freunde gewonnen. zur naechsten seite



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